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Oxazine als blinkende Moleküle

Leuchtfeuer im Nanobereich und was die Blinkmikroskopie über die Zellstruktur verrät.




Die Entwicklung hochauflösender mikroskopischer Verfahren wird seit einigen Jahren intensiv vorangetrieben. Ziel ist dabei, selbst im Nanometerbereich eine hohe räumliche Auflösung zu erreichen, mit der sich auch sehr kleine und nah zusammenliegende Moleküle exakt abbilden lassen. Einem Forscherteam um Professor Philip Tinnefeld vom Department Physik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München ist es nun gelungen, fluoreszierende Moleküle zu entwickeln, die sich durch zwei gegensätzlich wirkende chemische Prozesse gezielt an- und ausschalten lassen.

Dieser Mechanismus funktioniert - anders als bei herkömmlichen Verfahren - auch in Anwesenheit von Sauerstoff und lässt sich auf ein breites Spektrum von Farbstoffen anwenden. Daher könnte die von den Forschern "Blinkmikroskopie" getaufte Methode auch bei lebenden Zellen zum Einsatz kommen, um dort die Positionen sehr eng benachbarter Moleküle zu bestimmen. Aber auch in der Nanotechnologie könnte das neue Verfahren helfen, präzise gesteuerte elektro-optische Schaltelemente zu entwickeln.

Die räumliche Auflösungsfähigkeit eines optischen Mikroskops ist durch die Wellenlänge des Lichts begrenzt. So können herkömmliche Mikroskope Strukturen, die kleiner als 200 bis 300 Nanometer - also Millionstel Millimeter - sind, nicht mehr eindeutig voneinander abgegrenzen. Allerdings stehen in der Nanotechnologie oder in der Zellbiologie sehr viel kleinere Teilchen im Blickpunkt der Forschung. Eine höhere Auflösung ist zwar mit elektronenmikroskopischen Verfahren möglich, doch diese sind sehr aufwändig und besitzen gewisse Nachteile - zum Beispiel erlauben sie keine Analyse lebender Strukturen. Mithilfe spezifischer Techniken lässt sich jedoch auch die optische Mikroskopie so verbessern, dass eine Auflösung im Bereich von wenigen Nanometern möglich wird. Dabei werden die Positionen einzelner, farbig markierter Moleküle in mehreren Schritten separat bestimmt.

Zu diesem Gebiet der Superauflösungsmikroskopie hat eine Forschergruppe der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) nun einen entscheidenden Beitrag geleistet. Professor Philip Tinnefeld und seine Mitarbeiter vom Lehrstuhl für Angewandte Physik haben einen Weg gefunden, das Leuchten eines gewöhnlichen fluoreszierenden Moleküls mithilfe photochemischer Prozesse gezielt "An"- und "Aus" zu schalten. Die Zeitdauer des "An"- und "Aus"-Zustandes kann dabei durch die Zusammensetzung der Chemikalien gezielt gesteuert werden. Zudem erwies sich der so erhaltene Schalter als außergewöhnlich langlebig: Er kann zwischen 400 und 3.000 Mal ein- und ausgeschaltet werden, bevor das Molekül schließlich zerfällt.

Um die blinkenden Teilchen zu erzeugen, nutzten Tinnefeld und sein Team in ihrer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Studie einen Farbstoff aus der Klasse der Oxazine. Dieser besitzt die natürliche Eigenschaft der Fluoreszenz, er sendet also bei der Bestrahlung mit Licht selbst kurzzeitig ein Leuchten aus. Das An- und Ausschalten dieses Leuchtens gelang den Forschern mithilfe einer sogenannten Redox-Reaktion. Bei diesem chemischen Prozess gibt eine Substanz - das Reduktionsmittel - Elektronen ab, die wiederum von einer zweiten Substanz, dem Oxidationsmittel, aufgenommen werden. Zunächst fügten die Forscher dem Oxazin ein Reduktionsmittel bei, so dass der Farbstoff ein Elektron aufnahm und der Leuchteffekt "ausgeschaltet" wurde. Dieser Zustand blieb anschließend über mehrere Minuten hinweg erhalten.

Mischten die Wissenschaftler der Substanz nun ein Oxidationsmittel bei, gab das Oxazin das zuvor erhaltene Elektron wieder ab und "schaltete" sich dadurch stabil zurück in den Ausgangszustand. "Das Prinzip besitzt wesentliche Vorteile gegenüber bisher entwickelten chemischen Schaltern, die sehr komplizierten chemischen Prozessen unterliegen und oft nur eine begrenzte Lebensdauer haben", erläutert Tinnefeld. "Außerdem lässt es sich auf viele verschiedene Farbstoffe anwenden." Ein weiterer Vorteil der neuen Methode: Sie funktioniert auch in Anwesenheit von Sauerstoff, der sonst die Farbstoffe häufig zerstört. Dies ermöglicht den Einsatz auch bei lebenden Zellen, in deren Milieu immer auch Sauerstoff eine Rolle spielt.

Tatsächlich gelang den Biophysikern im nächsten Schritt ihrer Studie der Nachweis, dass sich die neue Methode auch auf feinste Strukturen in Zellen anwenden lässt. Dazu brachten die Forscher sogenannte Aktinfilamente, die Teil des Zytoskeletts von Körperzellen sind, auf eine Glasoberfläche auf. Anschließend stellten sie die Konzentrationen des Reduktions- und des Oxidationsmittels so ein, dass die einzelnen Moleküle nur ab und zu aufleuchteten. Das anschließende "Blinkkonzert" der Moleküle nahmen sie mit einer Spezialkamera auf und konnten so im Nachhinein die Lage jedes einzelnen Moleküls exakt rekonstruieren. "Dadurch konnten wir eine Auflösung von wenigen Nanometern erreichen und Strukturen sichtbar machen, die man mit bisherigen Methoden nicht sehen konnte", sagt Tinnefeld.

Künftig wollen die Forscher die verwendeten Fluoreszenzfarbstoffe gezielt an die Umgebungsbedingungen in lebenden Zellen anpassen. "Außerdem planen wir zusammen mit Münchner Biologen Projekte, in denen die Blinkmikroskopie bei unterschiedlichsten biologischen Fragestellungen zum Einsatz kommt", sagt Tinnefeld. So könnte das Verfahren zum Beispiel dazu beitragen, die Aktivität künstlich in die Zelle eingeschleuster Moleküle zu beobachten. Aber auch eine Reihe anderer Anwendungsbereiche sind für den neuen Molekülschalter denkbar, insbesondere in der Nanotechnologie. "Das fluoreszierende Molekül lässt sich nicht nur chemisch, sondern auch elektrisch ein- und ausschalten", erläutert Tinnefeld. "Daher könnte es auch als elektro-optisches Bauelement in PCs eingesetzt werden - zum Beispiel zur Datenspeicherung oder für farbige Displays."

Das Projekt wurde im Rahmen des Exzellenzclusters "Nanosystems Initiative Munich (NIM)" durchgeführt. Das Cluster hat es sich zum Ziel gesetzt, funktionale Nanostrukturen für Anwendungen in der Informationsverarbeitung und den Lebenswissenschaften zu erforschen und zur Einsatzreife zu bringen.

[CA/suwe]


Zusatzinformationen:

Jan Vogelsang, Thorben Cordes, Carsten Forthmann, Christian Steinhauer und Philip Tinnefeld:
Controlling the fluorescence of ordinary oxazine dyes for single-molecule switching and superresolution microscopy.
In: Proceedings of the National Academy of Sciences; PNAS, online erschienen im Mai 2009, DOI 10.1073/pnas.0811875106

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität, LMU, München

 


Aktualisiert am 13.05.2009.



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